Eine Geschichte mit zwei Jesusjüngern - sozusagen aus der zweiten Reihe, mit keinem von den Zwölfen, mit keiner der Jesus nahen Frauen. Eine Geschichte von zwei Jesusanhängern wie Sie und ich. Nur einen nennt der Evangelist beim Namen, damit jeder von uns sich in die Rolle des andern begeben kann. Damit wir vielleicht dabei auch unseren Weg zu Ostererfahrungen entdecken können.
Was mir auffällt ist die Bewegung in dieser Geschichte: der Hinweg der beiden von Jerusalem nach Emmaus und der Rückweg von Emmaus nach Jerusalem. Die gleiche Strecke von 11 km, die glei-che Straße und doch ein großer Unterschied: Der Hinweg ist ausführlich geschildert, der Rückweg ganz knapp. Der Hinweg: Die beiden schämen sich nicht, dem geheimnisvollen Fremden ihre Trauer und Mutlosigkeit, ihre Hoffnungslosigkeit und Resignation zu gestehen. Sie sind deshalb keine schlechteren Jünger, sondern eben Menschen wie Sie und hoffentlich ich. Vielleicht ist dieses Eingeständnis der eigenen Begrenzung der erste Schritt auf dem Weg eines jeden zu Ostererfahrun-gen. Deswegen sind wir keine schlechteren Christen und Menschen.
Schritt für Schritt wird dieser nahe Fremde zu ihrem Augen-Öffner. Er verwandelt ihr Herz allmäh-lich, bis ihnen schließlich die Augen aufgehen, bis sie ihre Ostererfahrung machen. Wie lange der dritte Mann schon hinter den beiden her und mit ihnen auf dem Weg ist? Es wir nicht gesagt. Er ist auf einmal da. Es gilt auch für uns. Der aus dem Tod Erstandene ist immer mit uns auf dem Weg - verborgen auf ganz unterschiedliche Weise: In Menschen, die uns zu Wegbegleitern werden. In sei-nem Wort, über das später Hieronymus einmal sagt: "Wer die Schrift nicht kennt, kennt Christus nicht." In einem Gottesdienst, beim Brotbrechen, der Eucharistie. Im Gebet. Indem man selbst zum Wegbegleiter für andere wird. Ostererfahrungen machen - vermutlich setzt das voraus, was einmal der Philosoph Ludwig Wittgenstein gesagt hat: "An einen Gott glauben heißt sehen, dass es mit den Tatsachen der Welt noch nicht getan ist." Das ist der Proviant, den man auf seinem Emmausweg mitnehmen muss. Sonst ist Ostererfahrungen machen unmöglich. Ostererfahrung - ob man sie ge-macht hat, das spürt man - wie es die Jünger in dieser Geschichte spüren: "Brannte uns nicht das Herz in der Brust..., als er unterwegs mit uns redete..." - als unausrottbare Ahnung, als gewachsene Zuversicht, als hoffnungsfrohe, zuversichtliche Lebendigkeit, als Bewegung, besser: Bewegtheit, als Entschlossenheit, etwas zu tun für andere, für die Welt, unsere kleine Umwelt. Das alles ist der Hinweg.
Der Rückweg nach Jerusalem ist nüchtern geschildert, ohne jeden Enthusiasmus. Aber ein Weg zu den andern Jüngern: im Austausch der Erfahrungen wächst die Gewissheit, dem Herrn begegnet zu sein, wird falscher Einbildung, etwaiger"Spinnerei" gewehrt.
Die Italiener nennen den Ostermontag fast zärtlich Pasquetta = Österchen, das kleine Ostern. Es geht nie zu Ende, gerade nicht im Alltag. Das Erlebnis von immer neuen Pasquette - das ist mein Osterwunsch für Sie und auch für mich.